Sprache - unser Monatsthema

„Die Sprache ist der Hort unserer Vorurteile, unserer Überzeugungen und unserer Annahmen“

 

-Chimamanda Ngozi Adichie

 

Kaum etwas beeinflusst unser Leben auf so diverse Arten wie Sprache. Die Komplexität jeder beliebigen Sprache ist nahezu unendlich. 

Tatsächlich verwenden wir Sprache häufig, ohne genauer darüber nachzudenken. Was im Alltag zur Kommunikation notwendig ist, kann in vielen Situationen oft zu vermeidbaren Erfahrungen von Ausgrenzung, Isoliertheit und Hilflosigkeit führen. Unsere Sprachen prägen die Welt gleichermaßen, wie sie ihrerseits von der Welt geprägt werden. Daher empfiehlt sich ein genauer Blick darauf, wie wir sie bewusst verwenden können. Denn Sprache kann so viel mehr: sie verbindet, überwindet Missverständnisse und gibt der Welt ihre Form. Wir verwenden sie im Alltag und in der Kunst. Diese Vielfalt gehört gefeiert!

Ein Ansatz, den wir bei BrückenBauen verfolgen, ist die Verständigung sprachübergreifend zu fördern. Wer die Heimat aufgrund einer schwierigen oder existenziellen Lage Richtung Deutschland verlässt, spricht nicht immer perfektes Deutsch. Das ist normal und zu erwarten. 

Eine zunächst naheliegende Lösung ist das universelle Bereitstellen von Übersetzungen. In unserem Projekt ‘Land der Kulturen’ bemerken die Teilnehmer:innen, wie leicht man sich ohne einen verständlichen Fahrplan im dichten Verkehrsnetz einer Stadt verlieren kann. Für viele zugewanderte Menschen in Deutschland ist das zu Beginn Realität. Das kann eine zutiefst isolierende Erfahrung sein. Alleine mit dem Übersetzen eines Fahrplans in andere Sprachen kann man vielen Menschen sofort unterstützen. Sprachlicher Support für Neuzugewanderte ist dabei kein unnötiger Gefallen für Menschen, die sich stur gegen ihre eigene Integration wenden, sondern eine notwendige Hilfe für Menschen, die aus verschiedenen Gründen ihren Weg nach Deutschland gefunden haben. Die Sprachlandschaft hier ist seit vielen Jahrzehnten bei Weitem nicht mehr so homogen, wie sie es einmal war. Bei dieser bunten Mischung aus Sprachen und Dialekten ist der Ruf nach einer ‘Leitkultur’ und der Rückkehr in alte Zeiten für viele verlockend, kann aber keine Antwort auf die sprachlichen Herausforderungen unserer Zeit sein.

Einen U-Bahn Fahrplan beispielsweise auf Arabisch bereitzustellen, ist keine große Hürde und vereinfacht den Alltag tausender Menschen bedeutsam. Das Lernen einer Sprache beansprucht eine Menge Zeit, selten sind Menschen in der Lage, die native Sprache fließend sprechen zu lernen, bevor sie in das Land einwandern. Mit einem arabischen Fahrplan gibt es also keine Verlierer:innen.

In Übersetzungen kann auch die Essenz einer Sprache verloren gehen. Wer schon einmal probiert hat, Gedichte zu übersetzen, weiß wie schwierig es ist, das genaue Gefühl hinter einem Ausdruck oder einer Phrase zu erfassen. Im großen Sinn drückt eine Sprache auch immer die Kultur ihrer Anwender:innen aus. Dieses kulturelle Wissen ist neben dem Auswendiglernen von Vokabeln eine ganz eigene Herausforderung. Das braucht meist eine ganze Menge Zeit. Doch auch wer sich erfolgreich eine neue Sprache angeeignet hat, steht oft vor der Aufgabe, die eigene Identität zu bewahren. Gewaltsame Assimilierung durch Sprache ist ein im Kolonialkontext verwendetes Mittel zur Unterdrückung von Minderheiten und zum Entreißen von Autonomie. Einheimische Sprachen traten so für die Sprache der Kolonialmacht in den Hintergrund. Diese Auswirkungen sind in ehemaligen Kolonien noch heute sichtbar.

Gerade wo dieser Prozess nicht länger auffällt, lohnt sich ein ganz genauer Blick auf sprachliche Praktiken und wer sie auf welche Weise anwendet. Zu welchem Zweck drückt sich diese Person so aus? Warum benutzt diese Institution diesen Begriff und nicht jenen? Das Hinterfragen sprachlichen Handelns ermöglicht es, das eigene Bewusstsein zu schärfen und zu erweitern.

Wichtig sind verschiedene Perspektiven: In einem Ted Talk spricht die renommierte Schriftstellerin Chimamanda Ngozi Adichie von der Wahrnehmung ihrer eigenen Herkunft außerhalb der Heimat. Dabei warnt sie insbesondere von der Gefahr der ‘single story’. Gemeint ist das Zufriedensein mit einer alleinigen Perspektive, mit einer Wahrnehmung der eigenen Realität, die sich nicht mit der eigenen Umgebung abgleicht. Dominieren derartige Perspektiven, dann sind Diskriminierung und Anspruchsdenken nicht weit. Wer mit dem Wort ‘Afrika’ meint, von einem einzigen Land zu sprechen, läuft Gefahr, sehr fragwürdige Schlüsse über die Menschen dort zu schließen. Versteckt hinter wenigen Worten kann die Lebensrealität unzähliger Menschen verfälscht oder komplett ausgeblendet werden. 

Neben ihrem Potential für Schönheit und Produktivität kann Sprache auch abwertend sein. Dafür muss man nicht immer explizite Ausdrücke wie das historisch beschwerte N-Wort verwenden. Auch die Abwesenheit adäquater Ausdrucksformen für bestimmte Personengruppen zeigt auf, wie isolierend Sprache werden kann. Ein Beispiel dafür ist das Gendern in Sprache. Wo heteronormative [link, was ist das?] Formen auf Kosten anderer Menschen dominieren, sollte genauer hinterfragt werden, ob unser Sprachgebrauch die Lebensrealitäten der Menschen ausreichend repräsentiert. Dabei geht es nicht darum, das allgemeine Sprachverhalten zu kontrollieren. Vielmehr erleichtert ein bewusster und integrativer Umgang vielen Menschen das Leben – ganz ohne Eigenverlust.

Ein gutes Bewusstsein für Sprache entwickelt sich nicht von allein. Kindern den Zugang zu einem multiperspektivischen Denken zu eröffnen, ist dabei enorm wichtig. Sich gegenseitig verstehen zu wollen, bedeutet Arbeit und Kooperationsbereitschaft. Und zugleich einen nicht kalkulierbaren Zugewinn fürs Leben. Je früher man Kindern unterschiedliche Facetten z.B. durch Bücher vermittelt, desto besser. 

Denn, statt einer einzigen lückenhaften Geschichte, die Stimmen anderer und somit mehr Perspektiven hören zu können – ist das nicht viel spannender?

Land der Kulturen

Unser Projekt für bessere Integration und mehr interkulturelles Verstehen
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