Polizei und Geflüchtete im Dialog

Überblick: 
“Polizei und Geflüchtete im Dialog” heißt unser zweites großes Kooperationsprojekt, dass wir mit dem Polizeipräsidium München gestartet haben und mittlerweile auch in Augsburg und Oberfranken statt findet. Es startete im Januar 2021 und hat zum Ziel, das Vertrauen zwischen der Deutschen Polizei und Geflüchteten nachhaltig zu stärken. Das soll in erster Linie durch das gegenseitige Kennenlernen auf menschlicher Ebene und durch gemeinsame Erlebnisse gelingen. 

Klingt einfach? Ist es aber nicht. Denn Vertrauensaufbau ist ein vielschichtiger Prozess, der nicht nur reichlich Geduld, sondern auch viel guten Willen erfordert – und zwar von beiden Seiten aus. 

Warum ist das Projekt erforderlich?
Oft kommt es beim Kontakt von Polizeibeamt:innen und Geflüchteten zu negativen Erlebnissen. Typische Beispiele für Konflikte sind häufige Ausweiskontrollen oder eskalierende Polizeieinsätze in Unterkünften. Leider passiert es viel zu selten – oder auch gar nicht – dass sich beide Gruppen auf neutraler oder sogar positver Ebene  begegnen. 
Natürlich ist nicht klar feststellbar, weshalb der Umgang miteinander für beide Seiten so schwierig ist, und warum es überhaupt – auch ohne objektiven Grund – so häufig zu Zusammenstößen kommt. Die Entstehung von Konflikten ist immer abhängig von der individuellen Einsatzsituation, das sollte klar sein.
Trotzdem gibt es Faktoren, die in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle spielen. Dazu gehört,

– dass sich Geflüchtete von der Polizei oft rassistisch oder voreingenommen behandelt fühlen (Racial profiling),

– das auch die Beamt:innen sich falsch verstanden fühlen,

– dass kulturelle Missverständnisse oder Sprachbarrieren Einsätze oft zur Herausforderung für beide Seiten machen,

– dass Geflüchtete die deutsche Polizei oft falsch einschätzen, weil sie sie mit Polizeigewalt im eigenen Herkunftsland in Verbindung bringen, und

– dass häufig zu wenig Aufklärung über die Aufgaben und Befugnisse der Polizei in Deutschland vorliegt.

Um dieser schwierigen Ausgangslage entgegenzuwirken, braucht es Formate, die Begegnung auf neutraler Ebene möglich machen. Zentrale Voraussetzung ist, dass dabei beide Seiten aufeinander zugehen und voneinander lernen. Nicht nur die Geflüchteten sollen die polizeilichen Arbeitsstrukturen besser verstehen lernen. Auch die Beamt:innen sollen
mehr (interkulturelle) Kompetenzen erwerben und diese vertiefen, um bei schwierigen Einsatzlagen (kultur)sensibel handeln zu können. 

Inhalte, Zielgruppe und Wirkung des Projekts: 
Unser Lösungsansatz ist das Angebot vertrauensfördernder Gruppenveranstaltungen und später auch inhaltlicher Einheiten zu ausgewählten Themen. Die Veranstaltungen finden vor Ort in Unterkünften für Geflüchtete statt. Bei den Veranstaltungen kommen  Polizeibeamt:innen und die Bewohner:innen der Unterkünfte zusammen. 

Die Beamt:innen werden begleitet von ehrenamtlichen Unterstützer:innen mit eigener Migrationserfahrung. Gemeinsam wirken sie vor Ort als “Kulturmoderator:innen”-Team. Die Kulturmoderator:innen erhalten ihre vorbereitende Qualifizierung im Vorfeld ihrer Einsätze im Rahmen des Co-Projekts “Gemeinsam interkulturell stark”.  Im Anschluss an ihre Qualifizierung bilden die Absolvent:innen multikulturelle Teams und werden in den Unterkünften aktiv. Pro Team arbeiten zwei bis maximal fünf Kulturmoderator:innen zusammen, je nach Größe der Unterkunft und geplanter Maßnahme. 

Bei den gemeinsamen Veranstaltungen von Kulturmoderator:innen-Teams und Bewohner:innen geht es in keiner Weise um Belehrungs- oder “Erziehungs”-Maßnahmen. Das tatsächliche Ziel ist denkbar simpel: Gegenseitiges Kennenlernen der Polizist:innen und Unterkunftsbewohner:innen durch gemeinsame Aktivitäten und Erlebnisse. So entsteht die Möglichkeit für ungezwungene Begegnung und nachhaltiges  Vertrauen. 

Da es sich stets um offene Veranstaltungsangebote handelt, wird außerdem niemand zur Teilnahme gezwungen. Wer Zeit und Lust hat, kann mitmachen. Wer die Veranstaltung früher verlassen möchte, kann dies ebenfalls tun. Wesentlich ist, dass die Kontaktaufnahme überhaupt stattfindet, auch wenn vielleicht nur wenig miteinander gesprochen wurde. 

Welche Veranstaltungsformate gibt es?
Gestartet wird mit vertrauensfördernden Maßnahmen. Dazu gehören u.a. Sport, gemeinsames Kochen, Picknicks und Grillen, offene Frage- und Antwortstunden und Pflanzprojekte im Garten. Bei der Maßnahmenplanung arbeiten wir eng mit dem Betreuungspersonal in den Unterkünften zusammen. Denn letztlich sind es die Einrichtungsleitungen, Sozialpädagog:innen und pädagogischen Unterstützungskräfte, die die Interessen und Bedarfe, aber auch individuellen Probleme der Bewohner:innen am besten kennen. Entsprechend werden Maßnahmen so geplant, dass die untergebrachten Männer, Frauen und Kinder bestmöglich mit den Angeboten erreicht werden. 

Den erfolgreichen Vertrauensaufbau sehen wir als Voraussetzung für den Einstieg in inhaltliche Maßnahmen. Ist also eine stabile Vertrauensbasis erst einmal geschaffen, kann mit interaktiven Gruppenworkshops rund um das Thema Präventionsarbeit begonnen werden. Diese Workshops bilden den zweiten großen Block an Veranstaltungsangeboten. 

Wie die vertrauensfördernden Maßnahmen werden auch sie von multikulturellen Kulturmoderator:innen-Teams angeleitet. Wichtig ist dabei auch die regelmäßige Zusammenarbeit mit Kooperationspartner:innen. Beispielsweise haben wir letztes Jahr zusammen mit Bike Bridge einen Pilotversuch gestartet und mit einer Gruppe von  Kulturmoderatorinnen Fahrradkurse für geflüchtete Frauen angeboten. Kurse dieser Art möchten wir 2022 mit “Polizei und Geflüchtete im Dialog” unbedingt wieder anbieten.

Die wichtigsten Präventionsthemen in den Workshops  sind Sucht, Zivilcourage, häusliche Gewalt, Extremismus, Medienmissbrauch und Verkehrssicherheit. Zusätzlich bieten unsere Teams den Workshop “Rollentausch” an. In diesem wechseln Polizist:innen und Bewohner:innen für einen Moment lang ihre Rollen aus und erleben improvisierte Einsatzsituationen aus der Perspektive des jeweils Anderen. 

Nach Workshopende ist Zeit für die offene Diskussion des Erlebten und für Fragen. 

Zielgruppe

Die Zielgruppe von “Polizei und Geflüchtete im Dialog” sind Bewohner:innen von Unterkünften für Geflüchtete. Die Teilnahme am Projekt ist sowohl für Gemeinschaftsunterkünfte, dezentrale Unterkünfte, Einrichtungen zur Erstunterbringung, wie z.B  Ankerzentren, sowie für Wohnprojekte für bereits anerkannte, wohnungslose Geflüchtete möglich. 

Faktoren wie der aktuelle aufenthaltsrechtliche Status der Bewohner:innen, ihre bisherige Verweildauer in Deutschland oder der Stand ihrer Deutschkenntnisse stellen also keine Kriterien für die Auswahl unserer Wirkungsstandorte dar – das ist uns wichtig. Auch sollen natürlich das Alter, das Geschlecht oder das Herkunftsland für die Teilnahme an den Aktionen keine Rolle spielen. 

Schließlich soll es am Ende darum gehen, den persönlichen Dialog  mit der Polizei so vielen Menschen wie möglich zugänglich zu machen. Zudem bliebe auch im Falle einer feineren Eingrenzung der Zielgruppe zu bedenken, dass doch jede/r Teilnehmer:in seine oder ihre ganz persönliche Geschichte mitbringt, gerade auch im Hinblick auf Erfahrungen mit Polizeisituationen im Heimatland oder hier in Deutschland. Ein breites Zielgruppenspektrum halten wir deshalb für sinnvoll.   

Beteiligte
Aktuell sind an “Polizei und Geflüchtete im Dialog” in München ein 40-köpfiges Kulturmoderator:innen-Team, 35 Unterkünfte mit rund 50 im Projekt aktiven Mitarbeitenden sowie mehrere Kooperationspartner:innen aus dem Präventionsbereich beteiligt. In Augsburg und Oberfranken sind genaue Zahlen noch nicht vorhanden.

Im Hintergrund arbeitet das Koordinationsteam von BrückenBauen gemeinsam mit der Sachabteilung für Strategische Prävention des Polizeipräsidiums München und dem Münchner Kommissariat für Verhaltensorientierte und Technische Prävention und Opferschutz an der Fortentwicklung des Projekts. 

Julia Jalm, Gruenderin Brücken bauen

Ansprechpartnerin:
Julia Halm
juliahalm@gemeinsam-bruecken-bauen.de

"Polizei und Geflüchtete im Dialog" wird gefördert
durch das Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration.

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