Allen großen und kleinen Herausforderungen zum Trotz war die Initiative ‘Polizei und Geflüchtete im Dialog’ ein wertvolles und ergiebiges Ereignis für alle Beteiligten. Probleme in der Organisation, Details in der Durchführung der Aktion selbst und nicht zuletzt die hartnäckige Pandemie machten uns das Leben schwer. Aber mit einem noch hartnäckigeren Tatendrang und Optimismus konnten auch diese Probleme gut bewältigt und Erfolge erzielt werden.

Den Dialog organisieren

Stolpersteine gab es viele: mangels richtiger Ansprechpartner:innen gestaltete sich zum Beispiel der Erstkontakt mit den potenziell teilnehmenden Unterkünften schwieriger und zeitaufwendiger als erwartet. Auch Zweifel und Unklarheiten galt es zu überwinden. Dennoch trug die Kontaktaufnahme ihre Früchte: mehr als die Hälfte aller Einrichtungen in München und im Landkreis konnten am Ende für die Bereicherung des Projekts gewonnen werden. 

Auch nach einem offiziell grünen Licht standen wir oftmals vor der Herausforderung, Terminfindung und Teambildung erfolgreich zu gestalten. Durch eigene Ausbildung oder familiäre Verpflichtungen waren sowohl die Beamt:innen als auch Migrant:innen terminlich eingeschränkt. Ähnliche Hindernisse zeigten sich teils auch bei den Unterkünften: Spontaneität bei der Planung darf hier nicht als gegeben vorausgesetzt werden – auch das haben wir dazugelernt. Genehmigungen durch Unterkunftsträger oder die limitierte Verfügbarkeit von Räumen konnten die Organisation schon mal erschweren.

Uniform oder nicht?

 Ein weiteres Gesprächsthema war die immer wieder auftretende Frage: “Uniform oder nicht?”. Sowohl das Auftreten der Beamt:innen in Uniform als auch in Zivil bringt eigene Pro- und Contra-Argumente mit sich. 

Dabei dachten wir viel darüber nach, wie das Auftreten in Uniform möglicherweise abschreckend auf die Teilnehmer:innen wirken und den Vertrauensaufbau behindern könnte. Tatsächlich blieben in unserer Erfahrung viele Zimmertüren geschlossen, wenn die Beamt:innen in Dienstkleidung erschienen. Auf der anderen Seite steht das Argument für Transparenz: während der gemeinsamen Aktivitäten muss zu jedem Zeitpunkt die Polizeipräsenz deutlich sein, um etwaige Täuschungsvorwürfe zu späterem Zeitpunkt zu vermeiden. Dies funktioniert wiederum am besten über äußerliche Merkmale wie die Kleidung.  

Die allergrößte Herausforderung für “Polizei und Geflüchtete im Dialog” ist und bleibt jedoch die Pandemie. Erst mit einem halben Jahr Verzögerung konnten wir in 2021 mit den ersten Veranstaltungen starten. Auch in der zweiten Jahreshälfte mussten coronabedingt zahlreiche geplante Veranstaltungen wieder abgesagt werden. Immer wieder auftretende Infektionsfälle und länger andauernde Quarantäneperioden haben den Veranstaltungsbetrieb in den Unterkünften spürbar ausgebremst. So konnten wir im Lauf des Jahres leider nur einen Bruchteil unseres Maßnahmenplans tatsächlich realisieren. Dies war schade sowohl für uns als Koordinationsteam als auch für die Kulturmoderator:innen und die Unterkunftsbewohner:innen.  

Und sie bewegt sich doch – Erfolgserlebnisse

Trotz allem können wir von zahlreichen Erfolgserlebnissen des Projekts berichten. Besonders erfreulich waren die vielen positiven Rückmeldungen der Bewohner:innen. In der Folge der durchgeführten Veranstaltungen hat sich wiederholt gezeigt, wie die Teilnehmerinnen sichtlich Spaß an den gemeinsamen Aktionen mit den Kulturmoderator:innen hatten. Auch haben wir oft mit Freude über das große Interesse gestaunt, das die Teilnehmer:innen gegenüber den Polizeibeamt:innen an den Tag legten. 

Auch das offene Aufeinanderzugehen hat von beiden Seiten aus sehr gut funktioniert. Viele Bewohner:innen haben frei heraus Fragen an die Polizist:innen gestellt, und auch die Beamt:innen waren stets bemüht, auf die Teilnehmer:innen einzugehen und für die Fragen oder Probleme aller ein offenes Ohr zu haben. 

Gemeinsame Fotos und Selfies mit den Kulturmoderator:innen wurden des öfteren auch zum wichtigen Programmpunkt – Spaß muss schließlich sein. 

Das große Engagement der Teilnehmer:innen war außerdem in den konkreten Programm-Wünschen für Folgeveranstaltungen zu beobachten.

Was passiert als nächstes? Planung und Aussicht 2022

Im Projektjahr 2022 möchten wir mit rund 200 geplanten Veranstaltungen ins Rennen gehen. Etwa die Hälfte davon sollen inhaltliche Einheiten zu ausgewählten Präventionsthemen sein. 

Im Laufe des Jahres wird sich unser Kulturmoderator:innen-Pool außerdem vergrößern, indem sich weitere Polizist:innen und Migrant:innen mit Interesse an diesem tollen Projekt von BrückenBauen zu Workshopleiter:innen qualifizieren lassen. Als Effekt erhoffen wir uns eine größere Flexibilität bei der Maßnahmenplanung und noch mehr Vernetzung innerhalb des Teams. Langfristiges Ziel soll außerdem sein, dass die Konzeption von Veranstaltungen mehr und mehr in die Hände der Kulturmoderator:innen selbst übergeht – innerhalb der Arbeitsgruppe und im kontinuierlichen Austausch mit den Unterkunftsvertreter:innen vor Ort.  

Gleichzeitig wird “Polizei und Geflüchtete im Dialog” mit ersten Veranstaltungen an den zwei neuen Standorten Augsburg und Oberfranken anlaufen. 

Erfahrungsberichte

Im August 2021 traf man sich bei sommerlichen Temperaturen im gemütlichen kleinen Außenbereich der dezentralen Unterkunft in der Münchner Blumenstraße. Bei Limonade, Honigmelone und Knabbereien begegneten sich ein vierköpfiges Kulturmoderator:innen-Team, bestehend aus zwei Jugendbeamt:innen der Polizeiinspektion 11,  Amer aus Syrien und Sophie aus dem Senegal, und eine Gruppe von rund 15 Unterkunftsbewohner:innen zum ersten Mal. 

Der Plan: Gemeinsam den Innenhof verschönern. Die Ausrüstung: Pflanztöpfchen in verschiedenen Größen, Blumenerde, Kräuter- und Blumensamen, kleine Chili- und Tomatenpflanzen, Handschuhe, Gießkanne und Schaufeln. 

Über zwei Nachmittagsstunden hinweg wurde fleißig geschaufelt, gesät, umgetopft und gegossen – natürlich als Team. Während der Arbeit blieb genügend Zeit für Austausch zwischen den Jugendbeamt:innen und den Bewohner:innen. Tatsächlich gab es viele neugierige Fragen an die beiden Polizist:innen. 

Da zusätzlich eine Tischtennisplatte zur Verfügung stand, wurde diese als Belohnung für die getane Arbeit auch gleich ausprobiert – im Duell Polizei gegen Geflüchtete dürfte dies wohl ihre Premiere gewesen sein.

Smalltalk mit der Polizei bei Hähnchen und arabischer Musik? Ja, das geht!

Zusammen mit zwei Kulturmoderator:innen haben wir im Sommer einen Grillnachmittag im Hof der Männer-Gemeinschaftsunterkunft Meindlstraße organisiert. Um 16 Uhr ging es los mit Grill anheizen, Biertische aufstellen, Gemüsebeilagen schnippeln, Brot und Teller bereitstellen, noch schnell Getränke für alle einkaufen und Musikboxen organisieren. Dann hieß es warten auf die ersten Bewohner und auf das Ende des Regenschauers. 

Pünktlich zum offiziellen Beginn um 17 Uhr verzogen sich die Wolken und die ersten neugierigen Teilnehmer stießen zum BrückenBauen-Team, den Kulturmoderator:innen (Robert von der Sendlinger Kontaktbereichspolizei und Amer aus Syrien) und den fleißigen Grillmeistern und Unterstützer:innen vom Arbeiter-Samariter-Bund.

Sobald das Essen auf dem Grill so richtig zu duften begann, wurde es im Hof immer belebter. Und siehe da: bald hatten sich draußen rund 40 Personen versammelt. Es konnte also losgehen. 

Knapp zwei Stunden lang wurde bei guter Stimmung gegessen, getrunken und viel miteinander gesprochen. Auch durften an diesem Nachmittag auf keinen Fall Selfies mit dem Kulturmoderator:innen-Duo fehlen. Spaß hatten alle, sowohl wir als Organisationsteam, Robert und Amer, allen voran aber wahrscheinlich die Bewohner. 

Wer hatte schließlich schon mal das Erlebnis, gemütlich mit der Polizei zu grillen? 

Der durchgängige Tenor in der Teilnehmer:innengruppe: Das müssen wir so bald wie möglich wieder machen! Auch Vertrauensaufbau kann also durch den Magen gehen. 

“Wie ist das eigentlich, wenn …?”- Offene Frage-und-Antwort-Stunde für Jugendliche und junge Erwachsene 

Dieses Format haben wir in verschiedenen Unterkünften ausprobiert und stets gute Erfahrungen gemacht. Besonders interessant war eine Veranstaltung im September im Münchner Wohnprojekt Berg-am-Laim-Straße, mit der wir gezielt jugendliche und junge Erwachsene Bewohner:innen ansprechen wollten. 

Mit am Start waren unsere beiden Kulturmoderator:innen Flo von der Jugendpolizei Perlach und Esmeralda aus Venezuela. Bei Getränken und Knabbereien im Kickerraum hatten die rund 20 Teilnehmenden Jugendlichen die Möglichkeit, ihre Fragen an die Polizei zu stellen. 

Und die Fragen waren zahlreich: Welche Voraussetzungen brauche ich, um in Deutschland Polizist zu werden?, Darf ich in der U-Bahn das Teppichmesser, das ich in der Arbeit verwende, überhaupt dabei haben? Wann darf die Polizei Pfefferspray einsetzen? Wird man sofort verhaftet, wenn man mit Drogen oder beim Dealen erwischt wird? Wie lange dauert die Polizeiausbildung in Deutschland? Seit wann dürfen in Deutschland eigentlich auch Frauen bei der Polizei arbeiten? Solche Anliegen sind nur ein kleiner Ausschnitt dieses regen Interesses an der Aktion.

Unserem Eindruck nach fanden alle Beteiligten Gefallen an der Aktion. Die Jugendlichen, da sie durch den lockeren Austausch mit Flo viel neues dazulernen konnten. Und natürlich auch die Kulturmoderator:innen, die viel über die Gruppe der neugierigen Fragensteller:innen und das, was sie bewegt, erfahren haben. Formate dieser Art sollte man unbedingt öfter anbieten, meinte Betreuer Marius. Dem können wir nur zustimmen – das nächste Mal dann vielleicht auch zusammen mit Eltern und älteren Bewohner:innen. 

Rollentausch-Workshop

Bei unserem ersten richtigen Präventionsworkshop, den wir im November in Taufkirchen durchführten, wurde den Kulturmoderator:innen und den Teilnehmenden einiges an Schauspielkunst abverlangt. Auf dem Programm stand nämlich die Übung “Rollentausch”, angeleitet von Jugendbeamtin Sandra und zwei Kulturmoderator:innen mit Migrationsgeschichte. 

Die Szenerie war folgende: An einer Bushaltestelle beginnen eine Frau und ein Mann einen Streit, da der Mann die Frau beschuldigt, ihn heimlich mehrfach fotografiert zu haben. Als die Auseinandersetzung zu eskalieren beginnt, schreitet ein Polizist:innen-Team ein und löst die Situation auf. 

Die Polizist:innen wurden gespielt von teilnehmenden Geflüchteten, die während ihres Einsatzes sogar eine echte Uniform tragen durften. In ihrer Rolle als Beamt:innen waren sie völlig auf sich allein gestellt und mussten die Richtigkeit ihres spontanen polizeilichen Handelns selbst einschätzen. Nach Ende des Rollenspiels wurde die Szene in der Gruppe reflektiert und Jugendbeamtin Sandra erklärte, in welchen Punkten das Verhalten der beiden “Polizisten” korrekt oder auch weniger korrekt war. 

Daraus ergaben sich wiederum vielfältige Anschlussfragen und es wurde ein kurzweiliger Abend.. 

Lust auf Runde zwei? Keine Sorge, die lässt sicher nicht lang auf sich warten!